Antibiotika in der Tierzucht reduzieren – auch in Asien und Afrika

In vielen asiatischen Ländern sind Resistenzen bei Nutztieren auf dem Vormarsch. Forschende des NFP 72 suchen nach geeigneten Methoden, um diese Entwicklung zu stoppen.

Die industrielle Tierhaltung ist laut den Vereinten Nationen eine der Hauptursachen für den weltweiten Anstieg von Antibiotikaresistenzen. Fast 75% aller verkauften Antibiotika werden für Nutztiere eingesetzt – um sie vor Krankheiten zu schützen und die Fleischproduktion anzukurbeln. Doch vor allem westliche Industrienationen – darunter auch die Schweiz – haben in den letzten Jahren Massnahmen ergriffen, um den Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft zu reduzieren.

Anders sieht es in den meisten Ländern mit mittlerem und geringem Einkommen (LMICs) in Asien, Amerika und Afrika aus: Dort gibt es bisher noch keine Systeme, um die Verwendung von Antibiotika und die Verbreitung von resistenten Bakterien zu überwachen. Doch sind in LMICs Fleischproduktion und -konsum in den letzten Jahren schneller angestiegen als im weltweiten Durchschnitt. Es werden immer mehr Tiere gezüchtet, um den rasch ansteigenden Bedarf nach tierischem Protein zu stillen, und es werden dabei immer mehr Antibiotika eingesetzt.

Brennpunkte identifizieren

Kürzlich hat eine in der Fachzeitschrift "Science" veröffentlichte Untersuchung erstmals umfassend die für diese Länder verfügbaren Daten über Antibiotikaresistenzen zusammengetragen und untersucht. Diese stammen hauptsächlich aus unabhängigen von Tierärzten durchgeführten Studien. "Das Ergebnis zeigt, dass Antibiotikaresistenzen in den LMICs bei Hühnern und Schweinen in den letzten Jahren signifikant zugenommen haben", sagt Thomas Van Boeckel, Professor für Gesundheitsgeographie an der ETH Zürich und einer der Hauptautoren der Studie. Gemeinsam mit einem internationalen Team hat er über 900 wissenschaftliche Publikationen zu Antibiotikaresistenzen in LMICs ausgewertet. Aus den Daten erstellte Van Boeckel eine Reihe von Karten, welche die geografische Verteilung und das Ausmass von Antibiotikaresistenzen in Tieren illustrieren: "Dabei hat sich bestätigt, was wir schon vermutet haben, nämlich dass sich die wichtigsten Hotspots für Antibiotikaresistenzen im Nordosten von China, im Nordosten von Indien und in Südindien befinden."

Die Kartierung der Resistenzen ist für Van Boeckel ein wichtiger erster Schritt. Sie soll als Grundlage für die Entwicklung von konkreten Massnahmen dienen, welche die Verbreitung von Resistenzen in den am schlimmsten betroffenen Regionen stoppen. "Wir sollten diese Länder darin unterstützen, nachhaltigere Methoden in der Landwirtschaft einzuführen", so Van Boeckel, "ohne aber dabei mit dem Finger auf sie zu zeigen oder Vorwürfe zu erheben. Denn schliesslich haben wir das Problem selbst geschaffen und über sechzig Jahre lang exzessiv Antibiotika in der Tierzucht eingesetzt".

Die lokale Situation berücksichtigen

Viele europäische Länder haben also Erfahrungen in der Umstellung der Tierproduktion. Doch diese lassen sich nicht einfach übertragen. Denn – auch das ist eine wichtige Erkenntnis – es funktionieren nur Massnahmen, welche die lokale Situation berücksichtigen. Das betrifft sowohl die Resistenzsituation im Detail als auch die Tierhaltung und den wirtschaftlichen und politischen Rahmen. Gesundheitsgeograph Van Boeckel fokussiert deshalb in einem NFP 72-Projekt auf eine einzelne Region, den Norden von Thailand. Dieser Hotspot für Antibiotikaresistenzen wird vor allem mit der Schweinezucht in Zusammenhang gebracht. In Kooperation mit Forschungsgruppen aus Schweden, Norwegen und der thailändischen Universität Khon Kaen will er einen Überblick über all diese Aspekte gewinnen.

Eine Besonderheit etwa ist, dass es im Norden Thailands im Unterschied zu Europa nicht nur grosse industrielle Schweinezuchten gibt, sondern auch viele Kleinbauern, die nur ein paar Schweine für den Eigengebrauch halten. Vielen dieser Familienbetriebe fehlt es oft an einer angemessenen Hygienepraxis und sie liegen in nächster Nähe zu den grossen Zuchtbetrieben, wo die Tiere routinemässig mit Antibiotika behandelt werden. Dies sind laut Van Boeckel geradezu ideale Bedingungen für die Ausbreitung von Resistenzen: "Resistente Bakterien können zunächst in grossen Zuchtbetrieben auftreten, sich dann auf kleine Schweinefarmen mit mangelnder Biosicherheit weiterverbreiten – und von dort möglicherweise weiter auf Menschen übertragen werden."

Für das Projekt haben die Forschenden in den letzten Jahren rund 50 industrielle Schweinezuchtbetriebe sowie 100 Kleinbauern besucht und vor Ort Interviews über den Einsatz von Antibiotika und die Haltung der Schweine geführt. Ausserdem testeten sie Schweine auf resistente Bakterienstämme wie Escherichia coli. Diese erste Phase des Projektes ist demnächst abgeschlossen. Im nächsten Schritt will Van Boeckel aus den gesammelten Daten ein Modell erstellen, aus dem die besten Ansatzpunkte für eine Reduktion des Antibiotikaverbrauchs ersichtlich sind. Entsprechende Interventionen sollen dann in Thailand durchgeführt und evaluiert werden.

Mehr Daten, mehr Wissen

Bis jetzt gibt es für die LMICs im Gegensatz zu den USA und Europa keine zentrale Datenbank, wo solche Informationen zu Antibiotikaresistenzen systematisch gesammelt und miteinander vernetzt werden. Deshalb hat Van Boeckel eine Open Access Datenbank entwickelt: resistancebank.org. Hier können Veterinäre aus den LMICs ihre eigenen Daten zur Antibiotikaresistenzen in Nutztieren ablegen oder sich informieren, woran ihre Kollegen in der Region arbeiten. Van Boeckel glaubt, dass dies auch eine grosse Hilfe für Wissenschaftler aus ärmeren Ländern wie etwa Tansania oder Malawi ist: "Dort sind die Kosten, die für eine Publikation anfallen manchmal eines der wichtigsten Hindernisse für die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen." Auf resistancebank.org können Forschende ihre Daten jedoch kostenlos teilen, erhalten Anerkennung für ihre Arbeit – und liefern die Grundlagen für eine immer bessere Überwachung von Antibiotikaresistenzen auch in Ländern mit mittlerem und geringem Einkommen.