Abgeschlossenes Projekt: Künstliche Alternativen zu wichtigen natürlichen Stoffen

Forschende an der Universität Bern stellen künstliche Substanzen her, die bekannten Antibiotika ähnlich sind. Diese sollen so verändert werden, dass sie bestehende Resistenzen überwinden und weniger Nebenwirkungen hervorrufen.

Legende: Überblick über alle Aminosäuresequenzen bekannter Peptide, die 2021 in öffentlichen Datenbanken vorhanden waren. Die verschiedenen Farben stehen für unterschiedliche Sequenzlängen.

Wenn nichts mehr hilft, dann helfen vielleicht Colistin oder Polymyxin. Heute werden diese natürlichen antimikrobiellen Peptide als letztes Mittel gegen verschiedene multiresistente Keime eingesetzt. Sie können jedoch erhebliche Nebenwirkungen auslösen, und gewisse Bakterien sind inzwischen resistent dagegen. Forschende unter der Leitung von Jean-Louis Reymond an der Universität Bern suchen daher nach neuen Substanzen, die bestehende Resistenzen überwinden und weniger Nebenwirkungen verursachen. Besonders vielversprechend sind weitere Peptide. Reymond und sein Team suchen diese jedoch nicht in der Natur, sondern entwickeln sie selber mit dem so genannten «Chemical Space»-Ansatz. Damit wird die Gesamtzahl aller Molekülen bezeichnet, die als Wirkstoffe einsetzbar sind. Der Chemical Space kann mit Methoden aus der Bioinformatik und einer automatisierten chemischen Synthese effizient erforscht werden. Die Forschungsgruppe an der Universität Bern hat den Raum um neue Moleküle erweitert, die in der Natur nicht vorkommen und deshalb noch nicht untersucht wurden.

Aus einem einzigen vielversprechenden Wirkstoff werden viele

Mit diesem Verfahren hat die Forschungsgruppe mehrere Peptide kreiert, die sich in ersten Tests als wirksam gegen bakterielle Krankheitserreger erwiesen. Im Fokus stand dabei die besonders interessante Substanz G3KL. Das Ziel bestand darin, die molekulare Struktur des Peptids gezielt so zu verändern, dass es ideale Eigenschaften für die Verwendung in der Medizin aufweist. Dazu klärte die Gruppe zuerst ab, worauf die Wirkung von G3KL genau beruht. Bildgebungs- und Resistenzstudien zeigten, dass G3KL Bakterien abtötet, indem es deren Membran zerstört und dass die Bakterien eine Resistenz aufbauen, indem sie die Membranzusammensetzung ändern. Ein ähnlicher, aber nicht identischer Resistenzmechanismus war beim eingangs erwähnten Polymyxin zu beobachten. Überraschend wurden mit dieser Studie weitere hochaktive Peptide identifiziert, die eine vielversprechende neue Reihe von Wirkstoffen darstellen.

Nun werden die gefundenen Substanzen optimiert

Die Forschungsgruppe versucht nun, diese neuen Stoffe zu optimieren. Dazu untersucht sie wiederum zuerst die Wirkmechanismen und evaluiert, welche Substanzen medizinisches Potenzial haben. Das Projekt hat überdies gezeigt, dass die verwendeten Methoden systematisch zur Entwicklung neuer Antibiotika genutzt werden können, die bestehende Resistenzen überwinden. Ein Vorteil des Ansatzes besteht darin, dass die entwickelten Substanzen einfach zu synthetisieren sind und daher optimiert werden können. Ob auf der Basis der bereits gefundenen Peptide wirklich Medikamente entwickelt werden können, muss in weiteren Studien geklärt werden.

Stand: November 2022