Abgeschlossenes Projekt: Verbreitungswege von Resistenzen aufgedeckt
Multiresistente Erreger verbreiten sich auf verschiedenen Wegen. Unter anderem gelangen sie von hospitalisierten Tieren auf Menschen und werden von Reisenden unbemerkt eingeschleppt. Das konnten Wissenschaftler der Universität Bern dank neuer Methoden der Gensequenzierung erstmals im Detail nachweisen.
In den vergangenen Jahren haben sich viele multiresistente Bakterien stark verbreitet. Das gilt besonders für gramnegative Erreger wie Escherichia coli, Klebsiella spp. und Salmonella spp., deren Infektionen schwierig zu behandeln sind. Da immer wieder neue Resistenzvarianten auftreten, ist es wichtig, schnell deren Ursprung, Verbreitungswege und genetische Eigenheiten zu erkennen. Dies ermöglicht sowohl gezielte Interventionen bei Ausbrüchen als auch präventive Massnahmen.
Doch Resistenzen breiten sich auf vielfältigen Wegen aus, oft auch nur durch die Weitergabe mobiler genetischer Elemente zwischen unterschiedlichen Bakterienarten. Dies spielt eine grosse Rolle bei der Übertragung von Antibiotikaresistenzen zwischen Tier, Mensch und Umwelt. Und es geschieht meist unbemerkt, genauso wie die Kolonisation von Menschen mit antibiotikaresistenten Bakterien, die bei den Trägern selbst nicht unmittelbar zu Krankheitsausbrüchen führen. Bisher war es kaum möglich, solche Übertragungswege im Detail aufzudecken, weil dazu die die Methoden fehlten.
Dank neuer Technologien zur Gensequenzierung lassen sich Bakterien mittlerweile jedoch schnell und umfassend genetisch analysieren. Mit der Gesamtgenomsequenzierung (Whole Genome Sequencing) werden sowohl das Chromosom als auch mobile genetische Elemente erfasst. Das erlaubt es, Bakterienstämme miteinander zu vergleichen und Rückschlüsse darauf zu ziehen, wie eng die Erreger verwandt sind oder ob die Resistenzen miteinander zusammenhängen. Andrea Endimiani und ein Team von Forschenden des Instituts für Infektionskrankheiten (IFIK) und des Institus für Veterinärbakteriologie Bern (IVB) haben so über 1600 Proben multiresistenter Enterobakterien sequenziert. Die Proben stammten von Patienten, Lebensmitteln, Zuchttieren, Wildtieren und aus dem Abwasser. Indem die Forschenden die erhaltenen Daten miteinander und mit epidemiologischen Angaben zu den betroffenen Patienten verknüpften, erhielten sie Aufschluss darüber, wie sich bestimmte Resistenzen über die Bereiche Mensch, Tier, Lebensmittelkette und Umwelt hinweg verbreiten.
Unter anderem fanden sie in zwei Stuhlproben von Mitarbeitenden von Tierkliniken multiresistente Escherichia coli Bakterien, die identisch waren mit Stämmen, die sie zuvor in Hunden und Katzen ebendieser Kliniken nachgewiesen hatten. Des Weiteren entdeckten sie in der unmittelbaren Umgebung einer Tierklinik Hochrisikoklone von Klebsiella pneumoniae, die gegen sämtliche klinisch verfügbare Antibiotika resistent sind. Diese waren identisch mit Klonen, mit denen hospitalisierte Tiere in derselben Klinik infiziert waren. Diese Ergebnisse legen nahe, dass in Tierkliniken ähnliche Verfahren zur Infektionskontrolle eingeführt werden sollten wie in humanmedizinischen Kliniken. Zudem wäre es im Sinne der frühzeitigen Ausbruchserkennung wichtig, dass der Nachweis bestimmter resistenter Erreger in Haustieren meldepflichtig wird, so wie es für Menschen bereits der Fall ist.
In einer weiteren Studie entnahmen die Forschenden bei 37 Sansibar-Reisenden je vor der Abreise und nach der Rückkehr Stuhlproben. Sie verglichen die darin gefundenen Escherichia coli -Stämme mit resistenten Escherichia coli- Stämmen, die in Sansibar auf Geflügelfleisch und in Menschen auftreten. Es zeigte sich, dass mindestens ein Drittel der Reisenden bei der Rückkehr neu mit resistenten Stämmen kolonisiert war, die klar aus Sansibar stammen. Die Forschenden schliessen daraus, dass Reisende, die aus Ländern mit starker Verbreitung von multiresistenten Erregern heimkehren, häufig solche neuen Bakterien einschleppen. Da sie jedoch meist keine Krankheitszeichen zeigen, sondern lediglich durch die Erreger kolonisiert sind, sollten entsprechende Screeningmassnahmen überlegt werden. Ebenfalls empfehlen die Forschenden, neue Strategien zur Entkolonisierung des Darms zu entwickeln.
Das Projekt hat nicht nur wichtige Übertragungswege einzelner Antbiotikaresistenzen aufgezeigt, sondern auch grundsätzlich das enorme Potential der neuen Methoden der Gesamt-Genom-Sequenzierung bewiesen. Diese Analysen eignen sich ebenso, um bei lokalen Ausbrüchen resistenter Krankheitserreger schnell deren Verbreitungswege nachzuvollziehen wie zur konstanten Überwachung der nationalen und globalen Ausbreitung multiresistenter "Superbugs".
Stand: September 2021