Wie sich Bakterien im Verbund vor Antibiotika schützen
Bakterien in Biofilmen sind mit Antibiotika schwierig zu erreichen. Neue Erkenntnisse könnten den Weg zu gezielteren Behandlungsstrategien ebnen.
Projektbeschrieb (abgeschlossenes Forschungsprojekt)
Biofilme schützen Bakterien vor Antibiotika
Die meisten bakteriellen Infektionen werden durch sogenannte Biofilme verursacht. In diesen bilden Bakterien einen dichten gallertartigen Belag, bestehend aus von ihnen abgesonderten Substanzen. Sie besiedeln so verschiedenste Oberflächen, darunter auch auf medizinischen Implantaten. In Biofilmen sind Bakterien geschützt, so dass bei der Behandlung von Infektionen mit Antibiotika nur ein Bruchteil des Wirkstoffs mit ihnen in Kontakt kommt. Das reicht zum Abtöten der Bakterien häufig nicht aus, weshalb die Resistenzbildung gefördert wird.
Im internationalen Forschungsprojekt BEAT-AMR mit Partnern aus der Schweiz, Deutschland, Grossbritannien und den Niederlanden untersuchten nun Qun Ren und ihr Team an der Empa, wie sich Bakterien in Biofilmen an Antibiotika anpassen, wie sie Resistenzen erwerben und verbreiten und wie sich dadurch die Zusammensetzung der Bakterien im Biofilm verändert. Bisher wurden diese Prozesse nicht systematisch erforscht.
Die Forschenden an der Empa konzentrierten sich dabei auf die biofilmspezifische Antibiotikaresistenz des Krankheitserregers Pseudomonas aeruginosa. Ihr Ziel war es, Gene zu identifizieren und zu beschreiben, die für diese Resistenz verantwortlich sind. Denn P. aeruginosa ist klinisch bedeutend und Ursache zahlreicher tödlich verlaufender Infektionen. Generell sehr widerstandsfähig gegen Antibiotika, verträgt P. aeruginosa innerhalb von Biofilmen höhere Antibiotikakonzentrationen als die Dosen, die für die Behandlung von Menschen zugelassen sind. Entsprechend gross ist der medizinische Bedarf nach neuen Behandlungsansätzen, die auch in Biofilmen gegen den Erreger wirken.
Identifikation von Genen mit Einfluss auf Antibiotikatoleranzen
Qun Ren und ihr Team entwickelten und validierten zunächst ein Modellsystem, das es ermöglicht, Gene zu identifizieren, die an der Entwicklung von Biofilmen und Antibiotikaresistenz beteiligt sind. Im Detail beschrieben sie dann den wichtigen Bakterienstamm P. aeruginosa MPAO1, sowohl auf der Ebene des Genoms (= Gesamtheit der genetischen Information eines Organismus) als auch des Proteoms (= Gesamtheit aller Proteine in einem Organismus) und des Phänotyps (= beobachtbare physikalische Eigenschaften eines Organismus). Dabei entdeckten sie mehrere zentrale genetische Faktoren, die dafür verantwortlich sind, dass P. aeruginosa antibiotikatolerant wird. Solche Bakterien sind zwar nicht antibiotikaresistent, sie fallen jedoch vorübergehend in einen schlafähnlichen Zustand und entgehen damit der Wirkung von Antibiotika. So können sie im menschlichen Körper überleben und chronische, schwer behandelbare Infektionen verursachen. Vermutlich ist Toleranz auch eine Vorstufe der Resistenz.
Die neue Kenntnis mehrerer Gen-Sets, die bei der Toleranz von P. aeruginosa in Biofilmen eine Rolle spielen, könnte nun dazu beitragen, den Verlauf der Toleranz bei Patienten vorherzusagen und gezielte Behandlungsstrategien zu entwickeln. Zudem zeigten mehrere der identifizierten Gene ein grosses klinisches Potenzial als Zielmoleküle für neue Antibiotika.
Stand: November 2021
Originaltitel
Partnership against Biofilm-associated Expression, Acquisition and Transmission of AMR