Abgeschlossenes Projekt: Quellen und Übertragungswege resistenter Erreger
Antibiotikaresistente Enterobakterien sind für viele Infektionen verantwortlich. Dabei ist unklar, ob sie vor allem zwischen Menschen übertragen werden oder ob andere Quellen wie Lebensmittel eine wichtige Rolle spielen. Eine gross angelegte Analyse von Proben aus diesen unterschiedlichen Quellen in der Stadt Basel hat nun mögliche Übertragungswege aufgedeckt.
Sarah Tschudin Sutter (r.) mit Mitarbeiterin: Der Kontakt mit Patienten, die mit antibiotikaresistenten Keimen infirziert sind, erfordert besondere Schutzmassnahmen. Doch Übertragungen sind nicht nur im Spital und nicht nur zwischen Menschen möglich.
Zunahme von Resistenzen ausserhalb klinischer Einrichtungen
Zu den häufigsten bakteriellen Krankheitserregern gehören einige Gattungen der Enterobakterien wie Escherichia coli. Viele davon sind mittlerweile resistent gegen Antibiotika. Vor allem die sogenannten ESBL-produzierenden Arten sind dabei problematisch: Sie bilden Enzyme, die bestimmte antibiotische Wirkstoffe aufspalten und wirkungslos machen. Solche Erreger haben sich zunächst hauptsächlich in Spitälern verbreitet. Doch seit einigen Jahren beobachtet man auch ausserhalb klinischer Einrichtungen eine zunehmende Verbreitung. Harnwegsinfektionen gehören zu den häufigsten Krankheitsbildern, die durch solche Bakterien ausgelöst werden können.
Die Zunahme von ESBL-produzierenden Enterobakterien ausserhalb der Spitäler führt zur Vermutung, dass andere Übertragungsquellen, wie Nahrungsmittel an der Verbreitung beteiligt sein müssen. Doch ist es schwierig, die Verbreitungswege der ESBL-bedingten Resistenzen genau aufzudecken. Denn hierfür sind umfangreiche genetische Vergleiche notwendig zwischen Proben, die zeitnah von Infizierten und von verschiedenen möglichen Quellen entnommen werden. Eine weitere Schwierigkeit ist, dass sich nicht nur die Erreger selbst verbreiten, sondern dass Bakterien innerhalb einer Art und über verschiedene Arten hinweg auch einzelne mobile genetische Elemente austauschen, die zur Resistenzbildung bei anderen Bakterien führen.
Mögliche Quellen in der ganzen Stadt Basel untersucht
Sarah Tschudin Sutter und ihr Team haben nun zahlreiche Proben aus verschiedenen Quellen in der Stadt Basel gesammelt und analysiert. Im Universitätsspital Basel trugen sie hierzu während zweier Jahre systematisch Proben von kolonisierten und infizierten Patientinnen und Patienten zusammen. Im selben Zeitraum untersuchten sie monatlich Abwasserproben aus der Kanalisation, jeweils in allen Stadtquartieren. Zudem kauften sie ebenfalls monatlich in allen Quartieren Geflügelfleisch, Kräuter, Sprossen und Salate, je bei einer grossen Ladenkette und bei einem kleinen Quartierladen. Auch diese Lebensmittel überprüften sie auf ESBL-produzierende Bakterien.
Mittels Gesamt-Genom-Sequenzierung (engl. WGS, whole genome sequencing) sämtlicher gesammelter Proben konnten sie genetische Verwandtschaften zwischen den ESBL-produzierenden Bakterien bestimmen und auf deren Verbreitungswege über Menschen, Abwasser und Nahrungsmittel schliessen.
Viele antibiotikaresistente Keime im Abwasser
Es zeigte sich zunächst, dass ESBL-produzierende Enterobakterien in der Bevölkerung sehr stark verbreitet sind: Sie fanden sich in über 90% aller Abwasserproben. Weitaus am häufigsten war dabei Escherichia coli . Ein Abwasser-Monitoring könnte deshalb in Zukunft entscheidend zur allgemeinen Überwachung von Antibiotikaresistenzen beitragen, schliessen die Forschenden.
Bei den Lebensmittelproben enthielten über 17% des Geflügels und 2% der pflanzlichen Proben ESBL-produzierende Bakterien. Auch hier war Escherichia coli die klar am häufigsten vertretene Art. Doch entdeckten Sarah Tschudin Sutter und ihr Team sowohl in den Abwasser- wie in den Lebensmittelproben auch andere ESBL-produzierende antibiotikaresistente Bakterien, die nicht zu den Enterobakterien gehören, vor allem Klebsiella pneumoniae. Diese sind eine wichtige Ursache für verschiedene Infektionen, darunter Harnwegsinfektionen und Lungenentzündungen.
Übertragung auf Menschen kommt vor
Die Auswertung der Daten zeigte eine grosse genetische Vielfalt an Bakterienstämmen, also insgesamt wenig Verwandtschaften. Dies ist ein Hinweis dafür, dass eine Vielzahl unterschiedlichster Quellen an der Verbreitung dieser Antibiotikaresistenzen beteiligt sein müssen. Der hohe Anteil der Abwasserproben mit Nachweis von antibiotikaresistenten Bakterien weist auf eine weite Verbreitung in der Bevölkerung hin. Das unterstützt die in den letzten Jahren gemachte Beobachtung, dass ein relevanter Anteil der Übertragung ausserhalb der Spitäler stattfindet. Die Daten zeigten zudem, dass resistente Bakterien selten von Lebensmitteln auf den Menschen übertragen werden dürften, dies aber vorkommt.
In einem Folgeprojekt werden die Forschenden nun auch auswerten, welche mobilen genetischen Elementen in verschiedenen nicht-verwandten Bakterienstämmen gleichermassen vorkommen. So klären sie auf, welche Rolle der Austausch dieser Elemente, der sogenannte horizontale Gentransfer, bei der Verbreitung von Resistenzen zwischen Menschen, Lebensmittel und Abwasser spielt.