Abgeschlossenes Projekt: Einfacher Test reduziert Antibiotikaeinsatz

Ein einfacher, kostengünstiger Schnelltest bewirkt, dass bei Patientinnen und Patienten mit klinischem Verdacht auf Lungenentzündung in der Primärversorgung weniger Antibiotika eingesetzt werden.

In der Allgemeinmedizin werden bei akuten Atemwegsinfektionen zu häufig Antibiotika verschrieben. Ein Grund dafür liegt darin, dass es schwierig ist, zwischen einer bakteriellen Lungenentzündung, bei der Antibiotika notwendig sind, und einer nichtbakteriellen Infektion, die von selbst ausheilt, zu unterscheiden. Für eine zuverlässigere Diagnose bei Atemwegsinfektionen hat ein Forschungsteam des Universitätsspitals Lausanne (CHUV) unter der Leitung von Noémie Boillat Blanco deshalb ein neues Verfahren entwickelt: Eine Ultraschalluntersuchung der Lunge wird mit einem Procalcitonin-Test kombiniert, der die Unterscheidung zwischen bakteriellen und viralen Infektionen vereinfacht. Da die beiden Methoden – Ultraschall bzw. Schnelltest – einzeln zu unzuverlässig sind, werden ihre Ergebnisse mit einem Algorithmus kombiniert, woraus zuverlässigere Prognosen resultieren.

Praktische Studie: Weniger Verschreibungen von Antibiotika

Zur Evaluation der neuartigen Diagnosemethode führte das Forschungsteam eine Studie durch, bei der 60 Hausärztinnen und -ärzte die Methode mehrere Monate lang in der Praxis anwendeten. Anschliessend wurden ihre Antibiotikaverschreibungen mit den Verschreibungen von Ärztinnen und Ärzten verglichen, die diese Methode nicht verwendeten. Die Studie ergab, dass in der Gruppe mit Procalcitonin-Schnelltest ein Drittel weniger Antibiotika verschrieben wurden: 40 % der Patienten mit Symptomen erhielten Antibiotika, gegenüber 70% bei der Vergleichsgruppe mit herkömmlicher Behandlung. Keinen zusätzlichen Rückgang der Verschreibungen stellten Boillat Blanco und ihr Team hingegen beim Einsatz einer Lungen-Ultraschalluntersuchung fest. Der fehlende Mehrwert dieser Untersuchung hängt damit zusammen, dass sie nur selten durchgeführt wurde, da sie nur bei Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Procalcitonin (das auf eine bakterielle Infektion hindeutet) empfohlen wird.

Gleicher Therapieerfolg

Die seltenere Verschreibung von Antibiotika durch Ärztinnen und Ärzte, die einen Procalcitonin-Test durchführten, hatte keine negativen Auswirkungen auf die Genesung. Gleichzeitig bewirkte der Test, dass seltener Röntgenaufnahmen der Brust gemacht wurden als bei der üblichen Behandlung (ca. 20 % gegenüber ca. 50 %). Die geschätzten Kosten für die Verwendung des Procalcitonin-Tests belaufen sich auf 2 Franken pro Prozent Reduktion bei der Antibiotikaverschreibung. Die Forschenden kommen somit zum Schluss, dass bei Verdacht auf Lungenentzündung in der Primärversorgung seltener Antibiotika eingesetzt werden, wenn ein Procalcitonin-Schnelltest durchgeführt wird, dass der Heilungsprozess dadurch nicht beeinträchtigt wird und dass der Test kosteneffektiv ist. Aufgrund dieser Ergebnisse hat die Schweizerische Gesellschaft für Infektiologie einen Procalcitonin-Test als Alternative zur Röntgenaufnahme des Brustkorbs in die Schweizer Leitlinien für die Behandlung von Lungenentzündungen aufgenommen. Ob diese Tests in der Allgemeinmedizin bald standardmässig durchgeführt werden, hängt jedoch von der Kostenübernahme durch die Krankenversicherungen ab. Sobald dies der Fall ist, könnte der Test bald wesentlich häufiger eingesetzt werden.

Stand: Oktober 2022