3. Programmtagung NFP 72: Umsetzung im Fokus

Über 130 Teilnehmende diskutierten den aktuellen Stand der Forschungsprojekte und wie deren Resultate in die Praxis übertragen werden können.

Das NFP 72 nähert sich der Mitte seiner Laufzeit, viele Forschungsprojekte befinden sich in einer entscheidenden Phase. Entsprechend tief gingen viele der Ausführungen an der dritten Programmtagung, die am 27. und 28. März im Olympischen Museum in Lausanne stattfand. Über 130 Teilnehmende beschäftigten sich mit 45 sehr unterschiedlichen Forschungsprojekten – wobei sie grosses gegenseitiges Interesse bewiesen. Christoph Dehio, Präsident der Leitungsgruppe, sagte denn zum Schluss auch: "Ich beobachte, dass wir alle die Fachsprachen der anderen beteiligten Disziplinen immer besser verstehen. Für unsere Forschungscommunity ist das enorm wertvoll".

Modul 1: Strukturen und rechtliche Grundlagen für neue Surveillance

In drei moderierten Diskussionsrunden verschob sich der Fokus jedoch weg vom einzelnen Projekt hin zu gemeinsamen Fragestellungen, wie sich wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis umsetzen lassen. Zu den besonders intensiv diskutierten Themen gehörten etwa in Modul 1 ("Wie Resistenzen entstehen und sich verbreiten") Aspekte rund um die Vernetzung von Resistenzdaten aus der Humanmedizin, der Veterinärmedizin und den Umweltwissenschaften.

Denn es zeigt sich, dass neue genomische Daten zu einem Qualitätssprung in der Erforschung antimikrobieller Resistenz und in spezifischen Bereichen der nationalen Surveillance führen können, in der Praxis aber Datenstandards und rechtliche Grundlagen dazu fehlen. In diesem Bereich sind nicht zuletzt die Behörden gefordert. Dass diese ein starkes Interesse an Empfehlungen für eine integrierte Überwachung haben, bestärkte Corinne Corradi, Projektleiterin Humanbereich der Nationalen Strategie Antibiotikaresistenzen StAR: "Eine gute Surveillance ist nicht nur wichtig, um schnell auf Krankheitsausbrüche zu reagieren, sondern auch um die Wirksamkeit von Massnahmen überhaupt beurteilen zu können."

Modul 2: Industriepartner für die nächste Stufe

In Modul 2 wurde schwerpunktmässig darüber gesprochen, wie die im NFP erarbeiteten Ansätze nach dessen Ablauf weiterentwickelt werden können. Um von der Entdeckung auf die nächste Stufe der Medikamentenentwicklung zu kommen, sind Industriepartner und Förderorganisationen von grosser Bedeutung.

Mit Laura Piddock, Wissenschaftliche Direktorin des Global Antibiotic Research and Development Partnership (GARDP) und Gastreferentin an der Programmtagung, sowie den Leitungsgruppenmitgliedern Peter Frey von Innosuisse und Malcolm Page von der Förderorganisation Carb-X (Combating Antibiotic Resistant Bacteria), waren gleich mehrere dieser Akteure in der lebhaften Diskussion vertreten.

Dabei wurde klar, dass in jüngerer Zeit viele neue Förder- und Vermittlungsmöglichkeiten entstanden sind. Ein wichtiges Ziel des Programms im Bereich Therapie und Diagnostik ist, in diesem "Ökosystem" gute Anknüpfungspunkte zu finden.

Modul 3: Guidelines und Ausbildung anpassen

Für die Umsetzung der in Modul 3 ("Optimierter Einsatz von Antibiotika") entwickelten Interventionen massen die Diskussionsteilnehmer der Politik und den Medien wichtige Rollen zu. Zudem waren sich alle einig, dass neue Erkenntnisse möglichst schnell in medizinischen Behandlungsrichtlinien (Guidelines) Eingang finden müssen.

Doch gleichzeitig stellte man fest, dass sowohl in der Human- wie in der Tiermedizin viele Praktiker lange an dem festhielten, was sie in der Ausbildung erlernten, und sich nicht immer aktiv über neue Guidelines informieren. Umso wichtiger sei es deshalb, dass neue Erkenntnisse auch in den Studiengängen berücksichtigt werden.

Dies bestätigte unter anderem Noëmie Boillat Blanco, die im Rahmen des NFP eine Methode zur schnelleren Diagnose von Lungenentzündungen erforscht. "Unser Ansatz ist einfach, doch er erfordert den Einsatz neuer diagnostischer Tests. Wir beobachten, dass Ärzte einige Zeit benötigen, bis sie deren Resultaten trauen – und bis sie ihre Verschreibungspraxis für Antibiotika darauf basierend anpassen. In unserer Studie benötigen sie zudem grundlegende Kenntnisse in Ultraschalluntersuchungen, welche die wenigsten Allgemeinpraktiker besitzen. Doch die nächste Generation von Hausärztinnen und Hausärzten erlernt bereits in der Ausbildung den Umgang mit Point of Care-Ultraschall. Für sie wird das eine alltägliche Selbstverständlichkeit sein".

Die Programmsynthese ist angestossen

So schälten sich im Verlauf der Programmtagung viele zentrale Aspekte heraus, welche die weiteren Massnahmen zum Wissens- und Technologietransfer prägen und wichtige Themen der Programmsynthese bilden werden. Deren Ziel ist es, die wissenschaftlichen Resultate einzelner Projekte in einen übergeordneten Kontext zu integrieren. Dies bildet die Basis für Empfehlungen an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Der Prozess der Synthesebildung wurde in Lausanne in einem Teilbereich in Gang gesetzt, mit einem Workshop zu neuen Diagnostikmethoden am zweiten Nachmittag (Siehe Link zum Interview unten).

Nach der äusserst produktiven Programmtagung 2019 darf auch vom nächstjährigen Treffen viel erwartet werden. Es wird am 24./25. März 2020 in Thun stattfinden.