NFP 72 - Synthesen vor dem Abschluss
Im vergangenen Jahr haben Forschende des NFP 72 die Ergebnisse ihrer Arbeiten analysiert und Handlungsempfehlungen für den Kampf gegen Antibiotikaresistenzen abgeleitet. Diese haben sie in intensivem Austausch mit Stakeholdern aus Praxis, Verwaltung und Politik geschärft und mit Blick auf praktische Umsetzungsaspekte ergänzt. Nun werden die Hauptbotschaften und Schlussempfehlungen des Programms vorbereitet.
Grosse Bedeutung der Resultate angesichts aktueller Gesundheitsbedrohungen
Die Erwartungen an das NFP 72 sind hoch, und angesichts der aktuellen globalen Gesundheitsbedrohungen gewinnen seine Ergebnisse an Bedeutung. Vom Bundesrat in Auftrag gegeben und in enger Zusammenarbeit mit der Nationalen Strategie Antibiotikaresistenzen (StAR) geplant, soll es wichtige Beiträge liefern im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen.
Mit diesem Ziel hat das Programm einen Syntheseprozess lanciert: Forschende tragen ihre Ergebnisse und Expertise zusammen, leiten daraus Handlungsempfehlungen ab, diskutieren sie mit Akteuren aus der Praxis. Entsprechend den drei Modulen des NFP 72 hat je eine Arbeitsgruppe (siehe Kasten) aus Forschenden im Verlauf des vergangenen Jahres ein übergeordnetes Thema bearbeitet:
Modul 1 – Wie Resistenzen entstehen und sich verbreiten
Resistenzen entstehen und verbreiten sich in vielfältigen Prozessen, in die menschliche Träger von Erregern ebenso involviert sind wie Tiere und die Umwelt. Die Aufklärung und Überwachung entscheidender Zusammenhänge zwischen diesen Bereichen soll helfen, die Ausbreitungswege von Resistenzen gezielt zu durchbrechen. Das NFP 72 zeigt in diesem Bereich unter anderem das grosse Potential auf, das neue Technologien und Methoden wie die Ganzgenomsequenzierung (Whole Genome Sequencing) und die Metagenomik in der Erforschung und Überwachung des Resistenzgeschehens bieten. Und es liefert wertvolle neue Erkenntnisse über sogenannte Reservoirs ausserhalb des medizinischen Settings, die an der Verbreitung von Resistenzen beteiligt sind, wie etwa Abwässer.
Modul 2 – Neue Wirkstoffe und schnellere Diagnostik
Im Kampf gegen resistente Erreger benötigen sowohl die Human- wie die Tiermedizin dringend neue antibiotische Wirkstoffe. Zudem sind schnellere Diagnosetests wichtig, um Resistenzen rasch zu erkennen und Menschen und Tiere zielgerichtet zu behandeln. Das NFP 72 hat in diesem Bereich eine Reihe von vielversprechenden Ansätzen hervorgebracht, die nun zum Teil in der Industrie weiterentwickelt werden. Gleichzeitig zeigen die im Programm gemachten Erfahrungen, dass grosse Hindernisse für einen erfolgreichen Praxistransfer bestehen. Die Synthese-Arbeitsgruppe hat sich deshalb darauf fokussiert, neue Impulse für Translationsaktivitäten und Marktmodelle zu erarbeiten.
Modul 3 – Optimierter Einsatz von Antibiotika
Übermässig oder falsch verwendete Antibiotika begünstigen die Entwicklung von Resistenzen. Neue Entscheidungshilfen und Betriebsabläufe sollen Ärztinnen, Tierärzten und Landwirten ermöglichen, Antibiotika gezielter einzusetzen. Nebst der Spitalmedizin, die bereits seit längerem Antibiotic Stewardship-Programme zur Unterstützung der Verschreibungspraxis kennt, nimmt diese Teilsynthese auch die Grundversorgung ins Blickfeld, die einen weit grösseren Anteil am Antibiotikaverbrauch in der Humanmedizin hat. Sie zeigt Wege auf, wie Antibiotic Stewardship auch hier umgesetzt werden kann. Ein weiterer Schwerpunkt liegt zudem auf «antibiotikaschonenden» Tierhaltungskonzepten, die dank verbesserter Tiergesundheit im Sinne einer präventiven Massnahme mit weniger Antibiotika auskommen.
Austausch innerhalb der Wissenschaft und mit der Praxis
In allen drei Teilsynthesen sind die Arbeiten mittlerweile weit fortgeschritten. Hierzu haben die jeweiligen Arbeitsgruppen zunächst Projekte des NFP 72 sowie die weitere aktuelle wissenschaftliche Literatur analysiert. Parallel dazu präsentierten alle NFP-Forschenden ihre Resultate den anderen Forschenden sowie der Leitungsgruppe in einer Serie von online-Veranstaltungen zwischen Januar und Juni 2021. Dabei wurden Umsetzungsaspekte ausführlich diskutiert.
Um zudem die Sicht von Akteuren aus der Praxis einzubringen, hat das NFP 72 zunächst für jedes der drei Module ein Sounding Board aus Praxispartnern ins Leben gerufen (siehe Kasten), das den Austausch zu Folgerungen und Empfehlungen begleitet hat. Auf diese Weise gelangten alle Syntheseteams zu einer Reihe von praktisch orientierten Empfehlungen. Diese präsentierten sie in einem nächsten Schritt im Herbst 2021 in drei Dialogveranstaltungen einem erweiterten Kreis von Stakeholdern aus Praxis, Verwaltung und Politik, um sie weiter zu schärfen und Hinweise für die Implementierung zusammenzutragen.
Hauptbotschaften und Schlussempfehlungen des NFP 72 im 2022
Im nächsten Schritt werden die Teilsynthesen des NFP 72 fertiggestellt, wobei das umfangreiche Feedback von Stakeholdern einfliesst. Aus der Gesamtschau leitet schliesslich die Leitungsgruppe des NFP 72 ein Programmresümee ab, das die Hauptbotschaften und Schlussempfehlungen des NFP 72 zu Händen von Entscheidungsträgern präsentiert. Die Teilsynthesen und das Programmresümee werden im Herbst 2022 veröffentlicht.
Arbeitsgruppen und Sounding Boards der NFP 72 Teilsynthesen
Modul 1 – Wie Resistenzen entstehen und sich verbreiten
Arbeitsgruppe
Helmut Bürgmann, Eawag Kastanienbaum (Koordinator Arbeitsgruppe) Adrian Egli, Abteilung Klinische Mikrobiologie, Universitätsspital Basel Andrea Endimiani, Institut für Infektionskrankheiten, Universität Bern Wolf-Dietrich Hardt, Institut für Mikrobiologie, ETH Zürich Roger Stephan, Institut für Lebensmittelsicherheit und -hygiene, Vetsuisse-Fakultät Universität Zürich Sarah Tschudin Sutter, Klinik für Infektiologie und Spitalhygiene, Universitätsspital Basel
Sounding Board
Maya Graf, Ständerätin, Grüne Partei der Schweiz, Basel-Landschaft Sophia Johler, Institut für Lebensmittelsicherheit und -hygiene, Universität Zürich / Schweizerische Gesellschaft für Lebensmittelhygiene Andreas Kronenberg, ANRESIS Nicolas Müller, Schweizerische Gesellschaft für Infektiologie Jean-Claude Piffaretti, Interlifescience Jürg Utzinger, Swiss Tropical and Public Health Institute Saskia Zimmermann-Steffens, Sektion Gewässerschutz, Bundesamt für Umwelt Annelies Zinkernagel, Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene, Universitätsspital Zürich
Modul 2 – Neue Wirkstoffe und schnellere Diagnostik
Arbeitsgruppe
Markus Seeger, Institute of Medical Microbiology, Universität Zürich (Koordinator Arbeitsgruppe) Petra Dittrich, Department of Biosystems Science and Engineering, ETH Zurich Martin Loessner, Labor für Lebensmittelmikrobiologie, ETH Zurich Patrice Nordmann, Molekulare und medizinische Mikrobiologie, Universität Freiburg Jörn Piel, Institut für Mikrobiologie, ETH Zurich Jean-Louis Reymond, Department of Chemistry and Biochemistry, Universität Bern
Sounding Board
Michael Altorfer, Swiss Biotech Association Rudolf Blankart, Roundtable Antibiotics Claus Bolte, Swissmedic Ken Bradley, Roche Christoph Eymann, Nationalrat, LDP Basel-Stadt Marc Gitzinger, BioVersys AG / BEAM Alliance Gilbert Greub, Schweizerische Gesellschaft für Mikrobiologie/ Institut de microbiologie, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois CHUV Laura Piddock, GARDP Katharina Stärk, Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen
Modul 3 – Optimierter Einsatz von Antibiotika
Arbeitsgruppe
Hanspter Naegeli, Institut für Veterinärpharmakologie und -toxikologie, Universität Zürich (Koordinator Arbeitsgruppe) Noëmie Boillat Blanco, Service des maladies infectieuses, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois CHUV Benedikt Huttner, Service des Maladies Infectieuses, Hôpitaux Universitaires de Genève HUG Mireille Meylan, Klinik für Wiederkäuer, Vetsuisse Universität Bern Vivianne Visschers, Hochschule für Angewandte Psychologie, Fachhochschule Nordwestschweiz
Sounding Board
Julia Bielicki, Swissnoso Yvonne Gilli, Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH Olivier Glardon, Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte GST Stephen Leib, Institut für Infektionskrankheiten, Universität Bern / ANRESIS Laurent Monnerat, Zoetis, Inc. Daniela Müller-Brodmann, Bundesamt für Gesundheit / StAR Blaise Perrey, Proviande Damiana Rinaldi, Schweizer Bauernverband Gertraud Schüpbach, Veterinary Public Health Institute, Universität Bern