Impulstagung des NFP 72 zu Ergebnissen und Empfehlungen

Impulstagung des NFP 72

Die Wirksamkeit von Antibiotika verbessern, Resistenzen eindämmen: Forschende des NFP 72 haben an einer Impulstagung neue Erkenntnisse und Instrumente vorgestellt und mit Vertretenden aus Praxis und Politik diskutiert.

Erfolgreiche Forschung

Fast sechs Jahre lang haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Nationalen Forschungsprogramm «Antimikrobielle Resistenz» (NFP 72) des Schweizerischen Nationalfonds an neuen Lösungswegen gegen Antibiotikaresistenzen geforscht. Am 18. November 2022 präsentierten sie im Casino Bern an der Abschlusstagung des Programms wichtige Ergebnisse und Empfehlungen. In allen Themenschwerpunkten des Programms konnten grosse Fortschritte erzielt werden: Die Forschenden zeigten auf, wie die Verbreitung von Resistenzen besser als bisher überwacht und eingedämmt werden kann, wie Antibiotika in Human- und Tiermedizin besser und nicht zuletzt sparsamer eingesetzt werden können, und sie erläuterten vielversprechende Ansätze für neuartige Antibiotika, die bestehende Resistenzen überwinden.

Wissenschaftliche Innovation allein genügt nicht

Welche Bedeutung die zahlreichen Ergebnisse des Programms für die Strategie der Schweiz haben und wie sie sich in konkrete Massnahmen umsetzen lassen, diskutierten am gut besuchten Anlass nebst Forschenden auch Vertretende von Verwaltung und Politik. Denn die wissenschaftliche Innovation liefere zwar Instrumente und Entscheidungsgrundlagen, sagte Joachim Frey, Präsident der Leitungsgruppe des NFP 72, doch müssten sich zahlreiche Akteure aus verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen engagieren und koordinieren, damit diese einen entscheidenden Effekt in der realen Welt haben.

Vor diesem Hintergrund reflektierten hochkarätige Referentinnen und Referenten aus unterschiedlichen Perspektiven die neuen Erkenntnisse. So legte etwa Dagmar Heim vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen und Vertreterin der nationalen Strategie Antibiotikaresistenz (StAR) dar, dass neu entwickelte Methoden zur besseren Überwachung von Resistenzen in den kommenden Jahren systematisch aufgebaut und mit der die bestehenden Überwachung verbunden werden müssen.

Kantone und nationale Politik sind gefragt

Da in der Schweiz die Kantone wichtige Rahmenbedingungen setzen, erhielt auch diese Ebene viel Raum: Landeshauptmann Stefan Müller (Appenzell Innerrhoden), Präsident der Landwirtschaftsdirektorenkonferenz, und Regierungsrat Lukas Engelberger (Basel-Stadt), Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz, legten dar, wie die neuen Erkenntnisse und Instrumente dazu beitragen können, den Antibiotikagebrauch in Human- und Tiermedizin weiter zu optimieren. Dabei wurde klar, dass viele der neuen Erkenntnisse in bestehende Anstrengungen integriert werden können. Beide Referenten wiesen jedoch auch auf mögliche Zielkonflikte hin, so etwa zwischen engen Vorgaben für einen gezielten Antibiotikaeinsatz und ärztlichem Ermessen bei der Verschreibung von Medikamenten.

Aus Sicht der nationalen Politik identifizierten die Nationalrätinnen Brigitte Crottaz (SP, Waadt) und Patricia von Falkenstein (LDP, Basel-Stadt) zudem wichtige Punkte, in denen es Weichenstellungen braucht, damit wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis umgesetzt werden können. Patricia von Falkenstein zeigte etwa auf, dass in den vergangenen Jahren im Parlament zwar mehrere Vorstösse lanciert wurden, welche bessere Rahmenbedingungen für die Entwicklung neuer Antibiotika erreichen wollten, diese aber erfolglos blieben. In Übereinstimmung mit den Schlussfolgerungen des NFP 72 forderte sie, dass sich die Politik diesem Thema endlich annehmen muss.

Die Schweiz könnte eine wichtige internationale Rolle einnehmen

Dass die Schweiz gerade auf diesem Gebiet international einen enorm wichtigen Beitrag leisten könnte, bestätigte Malin Grape aus Schweden. Als Botschafterin für Antibiotikaresistenz verleiht sie dem Thema sowohl in Schweden wie weltweit grosses Gewicht und gibt ihm ein Gesicht. Damit verhilft sie der sogenannten «stillen Pandemie» der Antibiotikaresistenzen zu grösserer Aufmerksamkeit in Öffentlichkeit und Politik. Bisher gibt es eine solche Rolle nur in Schweden und Grossbritannien. Doch wünschte sich Malin Grape, dass auch die Schweiz eine ähnliche Position schafft.

In der abschliessenden Podiumsdiskussion mit den Referentinnen und Referenten rekapitulierte Moderator Tom Kobel nochmals die wichtigsten Punkte aus den Vorträgen und hakte einerseits geschickt mit kritischen Fragen nach, arbeitete jedoch zugleich heraus, wo die Referentinnen und Referenten einig waren in Bezug auf die Umsetzung der Resultate und Empfehlungen des Forschungsprogramms. Zum Einstieg in die Diskussion fragte Kobel, wie die Referentinnen und Referenten ihr eigenes Verhalten einschätzten, wenn es darum geht, die Entstehung und Verbreitung von Resistenzen zu verhindern, etwa bei der Zubereitung von Pouletfleisch oder bei Vorsichtsmassnahmen nach Reisen in Länder mit hoher Verbreitung antibiotikaresistenter Erreger. Die Antworten vielen alle sehr ähnlich aus – und sie liessen sich wohl auf die Schweiz als Ganzes übertragen: «Ungefähr sieben bis acht auf einer Skala von eins bis zehn. Also gut, mit Luft nach oben».