Abgeschlossenes Projekt: Eine Datenplattform deckt Verbreitungswege von Antibiotikaresistenzen auf
Mit der neu entwickelten «Swiss Pathogen Surveillance Platform» lassen sich Verbindungen zwischen antibiotikaresistenten Mikroben in Mensch, Tier und Umwelt erkennen und untersuchen.
Für wirksame Massnahmen gegen Ausbrüche von antibiotikaresistenten Bakterien ist es zentral, diese rechtzeitig zu erkennen und die Verbreitungswege der Erreger nachzuvollziehen. Aber auch längerfristige Massnahmen, welche Übertragungswege von Antibiotikaresistenzen unterbrechen, setzen die möglichst genaue Kenntnis vielzähliger und komplexer Schnittstellen im biologischen System von Mensch, Tier und Umwelt voraus, über welche Resistenzen weitergegeben werden. Bis vor wenigen Jahren war es allerdings kaum möglich, diese systematisch zu studieren und aufzudecken. Mit dem Aufkommen der Gesamtgenomsequenzierung (WGS - Whole Genome Sequencing) von Mikroorganismen hat sich dies geändert: Die WGS-Technologie kann schnell und in höchstem Detailgrad die gesamte genetische Information von Mikroben aufschlüsseln. Das erlaubt Vergleiche zwischen deren genetischer Ähnlichkeit, und somit zuverlässige Rückschlüsse zu ihrer Entwicklung und Verbreitung zwischen Mensch, Tier und Umwelt.
Daten teilen, um Zusammenhänge aufzudecken
Doch obwohl viele humanmedizinische, veterinärmedizinische und Umweltlabors routinemässig umfangreiche WGS-Daten generieren, können diese bisher nur beschränkt für die Überwachung von Antibiotikaresistenzen genutzt werden. Denn hierzu müsste man die Daten zentral zusammenführen und gemeinsam analysieren. Um dies zu ermöglichen, haben nun Forschende um Adrian Egli vom Universitätsspital Basel eine neue schweizweite Datenbank entwickelt – die «Swiss Pathogen Surveillance Platform» (www.spsp.ch).
Dafür haben sie zunächst mit diversen Akteuren, welche Daten an die Plattform liefern oder sie nutzen könnten, eine genaue Bedarfsanalyse durchgeführt. Auf dieser Basis entwarfen die Forschenden eine Lösung, welche einerseits den diversen Anforderungen der Nutzer gerecht wird und andrerseits die enorme Menge an komplexen Daten aus dem Human, Tier- und Umweltbereich zentral verarbeiten kann. Da dies eine aufwändige technische Infrastruktur und hohe Kompetenzen für Datenbanken und Bioinformatik erfordert, wird die «Swiss Pathogen Surveillance Platform» vom Swiss Institute for Bioinformatics (SIB) betrieben. Die Bioinformatikerin Aitana Lebrand ist hierbei als Projektmanagerin am SIB für das Projekt seit vielen Jahren verantwortlich.
Rechtliche Fragen geklärt
Nebst den rein technischen Aspekten erwiesen sich zudem vor allem rechtliche Fragen als grosse Herausforderung. Zentral ist etwa, dass für Analysen, die Schlüsse auf die Verbreitung humanmedizinisch relevanter Antibiotikaresistenzen liefern sollen, oft auch Daten zu Patienten einbezogen werden müssen. Diese sind jedoch besonders sensibel und unterliegen eigenen rechtlichen Bestimmungen. Doch die Forschenden konnten gemeinsam mit Behörden, Ethikkommissionen und Partnern der Plattform – darunter die Universitäten und Universitätsspitäler Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich und viele veterinärmedizinische Labors – ethische, regulatorische und legale Grundlagen erarbeiten, welche klar geregelte und effiziente Abläufe in der Datensammlung, -analyse und -teilung ermöglichen.
Den Betrieb nahm die «Swiss Pathogen Surveillance Platform» in einer Versuchsphase zunächst mit wenigen Spitälern und engem Fokus auf eine resistente Bakterienart (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus, MRSA) auf. Aufgrund der guten Erfahrungen haben Adrian Egli und das Kernteam den Nutzerkreis und Anwendungsbereich der Plattform darauf stark ausgeweitet: Mittlerweile ermöglicht die «Swiss Pathogen Surveillance Platform» die standardisierte Sammlung und Analyse von genetischen Informationen einer Vielzahl von Bakterien, Viren und Pilzen zwischen allen Universitäten, Universitätsspitälern und veterinärmedizinischen Zentren der Schweiz. Ebenfalls sind viele kantonale Spitäler und Privatlaboratorien angeschlossen.
Basis für detaillierte Überwachung von Antibiotikaresistenzen
Die Funktionalität der Plattform hat sich in der COVID-19-Pandemie bewiesen, in der sie für Austausch und Analyse von SARS-CoV-2-Sequenzierungsdaten verwendet wurde und automatisierte, zeitnahe Berichte an das BAG lieferte. Insgesamt wurden bisher Genomsequenzen von 135’000 SARS-COV-2 Isolaten auf der Plattform geteilt. Derzeit wird die SPSP mit zahlreichen akademischen Partnern weiterentwickelt. In Bezug auf Antibiotikaresistenzen bietet sie eine etablierte Basis, deren Ausbau eine weit detailliertere Überwachung von Antibiotikaresistenzen als bisher ermöglichen würde. Auch die Verknüpfung mit internationalen Surveillancenetzwerken ist mit der Plattform möglich, da sie bereits die entsprechenden Datenstandards anwendet. Um in Zukunft die Überwachung von antibiotikaresistenten und virulenten Krankheitserregern mittels WGS-Daten sicherzustellen, bedarf die SPSP eines entsprechenden Auftrags der Bundesbehörden.
Stand: Mai 2022