Ein Prototyp für schnelle Diagnostik kommt im Spital zum Einsatz

Ein neues Verfahren könnte die Identifizierung von resistenten Erregern um ein Vielfaches beschleunigen. Es wird nun in der Praxis getestet.

Ein sogenanntes "minimum viable product" (MVP) von Resistell: Das Messgerät kann bereits in der Praxis angewandt werden, mit dem Ziel, Rückmeldungen für die weitere Entwicklung zu erhalten.

​Herkömmliche diagnostische Methoden, mit denen sich Antibiotika-Resistenzen bei Bakterien feststellen lassen, sind langsam: Das Ergebnis liegt frühestens nach ein bis zwei Tagen vor, bei langsam wachsenden Keimen wie dem Tuberkulose-Erreger sogar erst nach einem Monat. Bei schweren bakteriellen Infektionen muss jedoch sofort mit der Behandlung des Patienten begonnen werden. Ärzte verabreichen dann oft breit wirkende Präparate – sozusagen auf gut Glück. "Das ist ein grosses Problem, weil dadurch die Ausbreitung von Resistenzen gefördert wird", sagt Giovanni Dietler, Forscher im NFP 72 und Professor für Physik der lebenden Systeme an der ETH Lausanne.

Ergebnis nach Stunden statt Tagen

Eine mögliche Lösung für dieses Problem präsentiert nun das Spin-off "Resistell", welches Dietler zusammen mit dem Mediziner Sandor Kasas und der Mikrobiologin Danuta Cichocka gegründet hat. Die Firma entwickelt eine neue Diagnostikmethode, die wesentlich schneller ist als bisherige Verfahren: Statt erst nach Tagen liefert sie das Resistenzprofil eines Erregers bereits innerhalb weniger Stunden. "Dadurch wird es möglich, von Anfang an die wirksamste Therapie zu wählen", sagt Dietler. Das verhindert nicht nur den ungezielten Einsatz von Antibiotika, sondern kann auch Leben retten.

Während der heutige diagnostische Standard – das sogenannte Antibiogramm – die Hemmwirkung von Antibiotika auf das Wachstum von Bakterien misst, funktioniert die neue Methode nach einem anderen Prinzip. Sie misst indirekt die Stoffwechselaktivität von lebenden Bakterien. Dazu werden diese auf einen wenige Tausendstel Millimeter kleinen Hebelarm aufgebracht, wie er in der Atomic Force Microscopy verwendet wird. Sind die Bakterien am Leben, versetzt ihre Stoffwechselaktivität den Hebelarm in Schwingungen, was mit Hilfe eines Laserstrahls und eines Fotodetektors gemessen wird. Gibt man nun ein Antibiotikum dazu, welches die Bakterien abtötet, hören die Schwingungen nach etwa 20 Minuten auf. Sind die Bakterien jedoch resistent und überleben, bleibt der Hebelarm weiter in Bewegung. So lässt sich die Wirkung eines Antibiotikums unmittelbar und in Echtzeit ablesen.

Weitere Spitäler für Tests gesucht

"Dass das neue Messprinzip zuverlässig funktioniert, konnten wir bereits zeigen", sagt Danuta Cichocka, Mitgründerin von Resistell. In einem Test mit verschiedenen Bakterienstämmen und Antibiotika stimmten die Ergebnisse zu fast 100 Prozent mit jenen des traditionellen Antibiogramms überein. Bis die Methode in der klinischen Diagnostik zum Einsatz kommen kann, sind jedoch noch einige Hürden zu nehmen. Zur Zeit exisitieren mehrere Prototypen eines Messgeräts, von denen sich nun zwei im Spitalalltag beweisen dürfen: Seit kurzem werden sie im Labor von Professor Gilbert Greub in der mikrobiologischen Diagnostik am Universitätsspital in Lausanne getestet. "Das Feedback aus der Praxis ist für uns sehr wichtig, um das Gerät zu verbessern und weiterzuentwickeln", sagt Cichocka. Deshalb sucht Resistell nun weitere Spitäler – in der Schweiz, aber auch im europäischen Ausland –, die Interesse haben, das neue Gerät zu testen. Ende des Jahres will die Firma dann beginnen, Investoren für die Finanzierung von klinischen Tests zu finden. Diese sind nötig, um die neue Methode zur Diagnostik in Spitälern und Labors einzusetzen. Danuta Cichocka ist überzeugt: "Nur wenn die Diagnostik von Resistenzen schneller erstellt werden kann, lässt sich die Wirksamkeit von Antibiotika für die Zukunft sicherstellen."