Voneinander lernen? Der Kontext zählt.

Können Länder voneinander lernen, um sich gegen Antibiotikaresistenzen zu wappnen? Ja – wenn sie Hintergründe wie Kultur und Ressourcen berücksichtigen.

Das Problem ist erkannt, Massnahmen werden ergriffen. In den letzten Jahren haben viele Länder Interventionen zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen durchgeführt. Dazu zählen etwa eine verbesserte Surveillance der Resistenzsituation, der optimierte Einsatz von Antibiotika, die Förderung von Forschung und Entwicklung neuer Medikamente und Diagnostik, verstärkte Handhygiene. Die Massnahmen sind vielfältig, ebenso wie die angesprochenen Akteure von der Humanmedizin bis zur Landwirtschaft.

"Jetzt ist es an der Zeit, all diese Ansätze näher zu betrachten und zu fragen: Was funktioniert, unter welchen Umständen, zu welchen Kosten?", sagt Didier Wernli, Experte für globale Gesundheit an der Universität Genf. "Und nicht zuletzt sollten wir uns ein klareres Bild davon machen, wie die Aktivitäten in einer Gesamtstrategie zusammenwirken". Dies, weil sie nicht unabhängig voneinander sind und manchmal sogar unerwünschte Wechselwirkungen erzeugen. Beispielsweise könnte die Beschränkung des Einsatzes von Antibiotika durch Stewardshipprogramme die Industrie davon abhalten, neue Medikamente zu entwickeln.

Erfolgreiche Beispiele sind nicht immer hilfreich

Mit einem internationalen Team entwickelt nun Didier Wernli eine Online-Plattform, die Interventionen gegen Antibiotikaresistenzen aus der ganzen Welt sammelt, einschliesslich Informationen zu ihrer Umsetzung. "Wir müssen die gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Situation einzelner Länder berücksichtigen", erklärt er. "Denn letztlich machen sie den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg aus". Daher interessieren sich Wernli und seine Kollegen auch für die allgemeine Fähigkeit von Ländern, auf Widrigkeiten zu reagieren, sich anzupassen und zu transformieren. Diese Fähigkeit wird als "Resilienz" bezeichnet. Das Konzept hat vor allem seit dem Ebola-Ausbruch 2013-2015 für die Analyse von Gesundheitssystemen an Bedeutung gewonnen.

Doch oft beschreiben wissenschaftliche Publikationen den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Kontext, in dem Massnahmen stattfinden, gar nicht. "Meist wird nur unzureichend über diese Hintergrundfaktoren informiert", sagt Wernli. Außerdem gibt es eine klare Tendenz, nur von erfolgreichen Beispielen aus Ländern mit hohem Einkommen zu berichten, hauptsächlich über Massnahmen auf lokaler Ebene, die einzelne Krankenhäuser oder Bauernhöfe betreffen. "Die Verallgemeinerbarkeit der meisten Ansätze ist deshalb sehr begrenzt", sagt Wernli. "Solange wir nicht mehr wissen über fördernde oder hindernde Faktoren ist es kaum möglich, aus diesen Erfolgen Lehren für andere zu ziehen".

Es zählt mehr als das Pro-Kopf-Einkommen

Allerdings nimmt die Zahl der veröffentlichten Interventionen aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu. Dies wird nicht zuletzt ermöglichen, die Kosteneffizienz verschiedener Maßnahmen genauer einzuschätzen. Gerade in Ländern mit sehr begrenzten Mitteln ist das enorm wichtig. Doch während es offensichtlich scheint, dass ein Land wie die Schweiz aufgrund seiner Ressourcen und seines effizienten Gesundheitssystems sehr widerstandsfähig gegenüber Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit ist, gibt es auch innerhalb der Gruppe der Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen erhebliche Unterschiede.

"Die Widerstandsfähigkeit ist nicht nur eine Frage des Pro-Kopf-Einkommens, vielmehr ist entscheidend, wie die Ressourcen auf das Gesundheitssystem verteilt sind", erklärt Wernli. "Und es zählen auch andere Aspekte, die eher mit der Stärke der Institutionen zusammenhängen, zum Beispiel Standards und Vorschriften für die Produktion von Lebensmitteln". Hinzu kommt ein weiterer Punkt, der berücksichtigt werden muss: Viele Länder haben grössere Probleme mit dem Zugang zu notwendigen Antibiotika als mit Antibiotikaresistenzen.

Ein guter Plan ist ein Plan, der funktioniert

Es wird deutlich, dass die genannten Rahmenbedingungen entscheidend sind. In der von Wernli und seinem Team entwickelten Online-Plattform werden sie sichtbar. Die Datenbank fasst aktuelle Erkenntnisse zusammen, macht sie allgemein zugänglich und zeigt auf, wie und in welchem Rahmen Massnahmen geplant und umgesetzt wurden. Mit dem Ziel, dass Länder voneinander lernen und sich so besser gegen Antibiotikaresistenz wappnen können. Oder, wie Didier Wernli sagt: "Mit weiteren Interventionen gegen Antibiotikaresistenz sollte auch deren Qualität verbessert werden". Dies wiederum wird dazu beitragen, die gesellschaftliche Resilienz gegen Antibiotikaresistenzen zu stärken.